Bereits der erste Tag meiner großen Tour könnte nicht besser beginnen: Im ehrwürdigen Dukes Hotel in London-Mayfair werde ich von Jeremy Hackett begrüßt, der mir beim Frühstück den Reisesegen geben möchte. Mit funkelnden Augen, raumfüllendem Charisma und einem bis ins letzte Detail perfekt sitzenden Outfit ist er der Prototyp des englischen Gentleman. Selbst wenn er Butter auf eine Scheibe Toast streicht, blitzt unter der Manschette eine Vintage Rolex Explorer von 1965 hervor. Auch das Spektrum seiner Anekdoten scheint kaum erschöpflich – und so vergesse ich über all die spannenden Geschichten beinahe, dass draußen ein dunkelbrauner Aston Martin DB11 auf mich wartet. Aber eben nur beinahe. Schließlich wünscht mir Jeremy Hackett bon voyage und überreicht mir augenzwinkernd die Schlüssel: “Wir sehen uns in Paris!”
Der erste Test für einen Grand Tourer ist der Kaltstart am Morgen in einem noblen Viertel der Stadt. Wie ein Gentleman, der sich würdevoll räuspert, um seine Präsenz anzuzeigen, sollte auch ein echter GT mit eleganten Motorenknistern zum Leben erwachen, ohne die schlafende Nachbarschaft aus den Federbetten zu bellen. Zum Glück ist der Aston Martin DB11 in die Benimmschule gegangen – und mit dem ersten Dröhnen des V12, das in den Backsteinmauern von Mayfair noch ein wenig kerniger klingt als anderswo, wächst meine Vorfreude auf die nächsten drei Tage on the road.
Es geht nach Süden – und bis zum Fünf-Uhr-Tee haben wir glücklicherweise noch eine Menge Meilen herunterzufahren. Also schalte ich in den Sport-Plus-Modus, in dem der DB11 sich umgehend von seiner weniger anschmiegsamen Seite zeigt. Der neueste Aston Martin mag sich in seinem maßgeschneiderten Karosserieanzug an die feine englische Gesellschaft angepasst haben – doch darunter pocht noch immer das Herz eines Straßenjungen, allzeit auf dem Sprung und zum Kampf bereit.
Der Motor ist gerade warmgelaufen, da erreichen wir bereits das Anwesen des Stoke Park Country Club. Während das ehrwürdige Anwesen der Aston-Martin-Gemeinde aus James-Bond-Filmen wie Goldinger und Tomorrow Never Dies bekannt sein dürfte, ist es für mich der Kultfilm Layer Cake, den ich für immer mit Stoke Park verbinden werde. Und ich gebe zu: Als ich durch grüne, frisch manikürte Wiesen in Richtung des Haupthauses gleite, kling aus den Surround-Lautsprechern des Aston Martin für einige Momente der Soundtrack von The Cult – auch wenn meine Intentionen weit weniger mörderisch sind als die von Daniel Craig und seinen Geschäftskollegen. So verlasse ich Stoke Park nach einer stärkenden Tasse Tee bereits wieder, um dem ersten Tag meiner Tour an den White Cliffs von Dover einen fulminanten Abschluss zu geben.
Und so steht der Aston Martin DB11 am Ende dieses ereignisreichen Tages mit regennassem Lack in Dover und blickt auf den wolkenverhangenen Himmel über dem Ärmelkanal. Und auch wenn ich mich selbst niemals als britischen Gentleman sehen würde, so erfüllt mich der Anblick doch mit einem gewissen Stolz. In einigen Stunden werden die Pneus meines Reise-GTs auf französischen Asphalt greifen – und neue Abenteuer auf mich warten.
Fotos: Robert W. Cooper for Classic Driver © 2017