Es ist ein extrem seltenes Stück, diese Supermarine Spitfire Mk IX T9 im Luftfahrtmuseum Hangar 10 unweit der Ostsee. Denn anders als bei den einsitzigen Varianten, wurde dieser Doppelsitzer in den 1940er Jahren beim englischen Hersteller Supermarine nur in sehr kleinen Stückzahlen produziert. Die Maschine hat sogar ein Doppelsteuer, so dass der Fluglehrer seinem Schüler bei Start, Flug und Landung nicht nur alles Wichtige beibringen, sondern notfalls auch korrigierend eingreifen kann. Allerdings haben beide Piloten keinen direkten Sicht- oder Hörkontakt zueinander: Der Lehrer sitzt in einem separaten Cockpit hinter dem Schüler und ist auf die Sprechfunkverbindung zu seinem Vordermann angewiesen. Ein gewisses Vertrauen in die aviatischen Fähigkeiten des Flugschülers ist auch zwingend notwendig. Denn aus seinem hinteren Cockpit kann der Lehrer im Landeanflug nicht einmal die Runway sehen.
Ein imposanter Klassiker mit bewegter Geschichte
Unter der Motorhaube des britischen Klassikers steckt ein imposanter Rolls-Royce-Merlin 76: Seine 27 Liter Hubraum aus zwölf Zylindern ergeben satte 1650 PS. Der PS-Bolide sorgt mit Hilfe eines Vierblatt-Verstellpropellers für rasches Vorankommen am Himmel und extreme Steigflugleistungen. Wird der Gashebel ganz nach vorn geschoben, ist je nach Höhe erst bei einer Speed von etwa 650 Kilometern je Stunde Schluss mit der Beschleunigungsorgie. Bei so viel Power ist für Start und Landung eine ebenso kundige wie sensible Hand am Steuerknüppel gefragt. Wenn man dann noch an die Geschichte der Spitfire denkt, läuft einem schonmal ein leichter Schauer über den Rücken: Im Dezember 1943 wurde die Maschine an die Royal Air Force ausgeliefert, kurz darauf beschädigt. Nach der Reparatur absolvierte sie noch mehr als 300 Einsätze in der Normandie, bevor sie nach dem Zweiten Weltkrieg friedlicheren Zwecken diente.
Ein Hangar voller Überraschungen
Ungewöhnlich ist auch der Standort der Spitfire im Luftfahrtmuseum Hangar 10 auf der norddeutschen Insel Usedom. Dort sind weitere ehemalige Warbirds aus den 1940er Jahren wie eine amerikanische P-51 Mustang, eine russische Yak 9 oder auch ein Fieseler Storch aus Deutschland zu sehen. In nicht allzuferner Zukunft soll sogar die einzige doppelsitzige Messerschmitt 109 dazukommen, die ebenfalls flugfähig ist. Der aus der Region stammende Pilot, Flugzeugenthusiast und Unternehmer Volker Schülke hat hier zusammen mit seiner Familie den Traum eines fliegenden Oldtimer-Museums verwirklicht.
Ein Fliegertraum wird wahr
Das Beste aber: Luftfahrtbegeisterte können in diesen raren Preziosen mitfliegen. Wer sich den ganz grossen Fliegertraum erfüllen will, bemüht sich an einem der zweimal jährlich stattfindenden Warbird-Tage der “Air Fighter Academy” im Hangar 10 um einen Mitflug in der Spitfire Mk IX T9 oder ihrem amerikanischen Warbird-Pendant Mustang P-51D/TF. 2700 Euro sind für einen halbstündigen Mitflug fällig. Piloten der seltenen Klassiker sind der renommierte Spitfire-Spezialist Charlie Brown und Mustang-Profi Rob Davies, beide aus England. Das Ambiente im Hangar 10 ist sehr familiär, und jeder Passagier kann seine Wünsche für den bevorstehenden Flug äußern. Es finden an den Wochenenden auch nicht mehr als fünf Gästeflüge je Maschine pro Tag statt. Da der Flughafen Heringsdorf eine etwa 1,2 Kilometer lange Grasbahn aufweist, sind für die Warbirds optimale Bedingungen vorhanden. Denn die PS-starken Spornradflugzeuge sind auf Graspisten deutlich angenehmer zu starten und zu landen als auf asphaltierten Runways. Hat der Gast selbst eine Pilotenlizenz und ist sein Vordermann damit einverstanden, darf der Passagier auch einmal selbst an den Knüppel greifen, da beide Warbirds mit Doppelsteuer ausgestattet sind. Ansonsten reicht es einfach, die atemberaubende Steigleistung und das nostalgische 1940er-Jahre-Fluggefühl in den beiden ehemaligen Jagdflugzeuge zu genießen.
Fotos: Richard Paver / Hangar 10 / Jürgen Schelling