Direkt zum Inhalt

Magazin

Sir Stirling Moss - „Rennfahren sollte riskant sein”

Man muss ihn nicht weiter vorstellen, gehört er doch zu den berühmtesten und erfolgreichsten Rennfahrern in der Geschichte. Beim Goodwood Festival of Speed hatte Classic Driver die Gelegenheit zu einem Gespräch mit Sir Stirling Moss.

Nicht Talent, sondern Technik

Sir Stirling, wie würden Sie jemandem, der noch keine Ahnung von Motorsport hat, erklären, worauf es bei einem Rennfahrer ankommt?

Ich würde sagen, dass ein Fahrer nicht mit diesem Talent geboren wird. Man muss zu Beginn mit dem arbeiten, was man hat und sich dann kontinuierlich verbessern. Man weiß zunächst nichts über das unterschiedliche Verhalten eines Fahrzeugs; man muss für sich diese verschiedenen Möglichkeiten erkunden. Beispielsweise zu verstehen, dass der Antrieb über eine Achse oder über zwei, wie beim Allrad, ganz unterschiedliche Techniken erfordern.

Wo hat sich der Motorsport besonders entwickelt? Zum Beispiel bei den Rennstrecken?

Ich finde, die Rundkurse sind eher schlimmer geworden. Man bietet den Fahrern eigene Spin-off-Zonen, falls sie mit ihrem Rennwagen außer Kontrolle geraten. Aber in der Formel Eins sollten doch die besten Rennfahrer der Welt gegen einander antreten. Die sollten doch ihr Können unter Beweis stellen, in dem sie auf diese Hilfen nicht angewiesen sind.

"Die Formel Eins sollte herausfordernd sein"

Aber die Rennstrecken sind doch sicherer als früher?

Aber Sicherheit ist doch genau der Punkt. Nach meiner Meinung gibt es in diesem Sport keine Sicherheit. Rennfahren soll riskant sein: Es ist ein gefährlicher Sport, der gerade dadurch das Beste im Fahrer fordert. Die Rennen der Formel Eins müssen anspruchsvoll sein. Denn sind sie das nicht, wie sollte man dann den Unterschied zwischen einem wirklich großen Fahrer und dem Rest feststellen können? Ich frage mich, ob all diese neu gestalteten Rundkurse wirklich genügend Herausforderung und Begeisterung bieten. Heute werden sogar entlang der Strecken Bäume gefällt, damit sie kein Risiko darstellen können. Aber was einen Topfahrer auszeichnet, ist doch gerade, wie er auf jeden anspruchsvollen individuell Rundkurs reagiert. Für mich ist die Königsklasse des Motorsports einfach Road Racing, die Straße.

100 Kilometer pro Runde

Da wir gerade von Straßenrennen sprechen, da haben Sie ihre Meisterschaft bei der Mille Miglia und Targa Florio beeindruckend bewiesen.

(Schmunzelnd) Die Targa Florio war eines meiner besten Rennen. Ich habe sie übrigens auch mal gewonnen. Was mir gefiel, war, dass sie gerade die richtige Länge aufwies - nur etwa 100 Kilometer pro Runde. Man geht da als Fahrer hin und lernt im Lauf einer Woche so viel, Runde um Runde. Danach kann man so nah, wie es die eigenen Möglichkeiten erlauben, am Limit fahren. Warum? Weil man sich diese Straße und die Leistung des Rennwagens tief eingeprägt hat. Wissen Sie, es ist einfach schwer geworden, eine Rennstrecke zu finden, die wirklich spannend ist. Man stelle sich vor, heute würde jemand einen Grand Prix in Monaco vorschlagen. Gäbe es diesen Stadtkurs noch nicht, er hätte jetzt keine Chance. Die würden doch schon beim Tunnel durchdrehen. Und das ist meiner Meinung nach nicht richtig.

Es muss aufregend sein

Bei vielen ehemaligen Rennfahrern behält Le Mans einen besonderen Platz in ihrem Herzen, nicht zuletzt aufgrund der Nähe zu den Zuschauern.

Ohne Publikum gäbe es den Motorsport nicht. Aber wie wir alle aus der Geschichte von Le Mans wissen, sollte deren Sicherheit oberste Priorität besitzen. Niemand sollte verletzt werden, nur weil er sich diesen Sport ansehen möchte. Aber wie gesagt, man könnte mehr dafür tun, das Rennen mitreißender zu machen.

Locker bleiben

Wie war es für Sie, beim Goodwood Festival of Speed 2015 wieder dem Mercedes SLR zu begegnen?

Naja, ich bin hier schon oft mit ihm unterwegs gewesen. Aber es ist immer wieder fantastisch, in dieses Auto einzusteigen und zu realisieren, dass es vor 60 Jahren das Mass aller Dinge war. Ich wüsste nicht, wie man den SLR verbessern könnte, selbst heute. Für mich ist Le Mans immer noch das größte Rennen. Leider durfte ich zu meiner Zeit nie dort antreten. Sie sagten mir, geh einfach raus und fahr schnell. Aber ich sollte locker bleiben und nicht alles wagen, weil sonst das Auto Schwierigkeiten bekommt.

Was würden Sie einem Talent raten, das heute Rennfahrer werden möchte?

Sie sollten unbedingt mit Kartrennen anfangen. Die gab es leider als Einstieg zu meiner Zeit noch nicht. Mit einem Kart findet man früh zu einem eigenen Stil, man lernt auch die Stärken des Gefährts kennen und feilt an der Technik. Wer zum Top-Pilot im Kart reift, hat das Zeug zu einem späteren Champion.

Elterliche Warnung

Sie entstammen einer Familie, die Motorsport gelebt hat, denn Ihr Vater und Ihre Mutter fuhren beide Rennen. Konnten Sie gar nicht anders, als diesen Beruf ergreifen?

Als ich meinem Vater mitteilte, dass ich auch Rennfahrer werden wollte, ist er ausgeflippt. Er sagte mir, du wirst nie davon leben können. Ich habe gesagt, ich schaffe das, und er gab mir ein Jahr Zeit, mich zu bewähren. Ich war dann mit dem britischen Rennstall HWM in ganz Europa unterwegs. Es war das perfekte Training, die ideale Vorbereitung auf später. Wir haben zwar nie ein Rennen gewonnen, aber da habe ich gelernt, wie man mit einem Auto wirklich umgeht. 

Photos: Getty Images / Rex Features

Die Serie "Racing Legends", in der wir Ihnen die persönliche Seite berühmter Rennfahrer näher bringen, wird freundlich unterstützt vom Credit Suisse Classic Car Program. Möchten Sie Sir Stirlings Geschichten direkt anhören? Er ist regelmässig Gast beim Historic Racing Forum.