Sir Jackie, Ihre sportliche Karriere begann mit dem Tontaubenschießen, das Sie dann zugunsten des Motorsports in den frühen 1960er Jahren aufgaben. Wie haben Sie so schnell das Rennfahren gelernt?
Ich habe mit 16 Jahren einen einwandfreien Austin A30 gekauft - damals war ich Mechaniker. Nachdem ich meine Fahrprüfung ein Jahr später bestanden hatte, war ich damit überall unterwegs. Mit dem Austin fuhr ich durch das ganze Land zu Schießwettbewerben, von Schottland sogar einmal bis nach Bournemouth im Süden, wo ich die English-Double-Rise-Meisterschaft gewonnen habe. Danach hatte ich einen Austin Healey Sprite, dessen Umbau beim berühmten britischen Tuner Speedwell kein Geringerer als der damalige Mitarbeiter Graham Hill besorgt hat. Ich war außerdem für meinen Bruder, der Rennfahrer war, als Mechaniker im Einsatz, wo ich mich zunächst um einen AC Bristol und einen Porsche 356 Super 90 kümmerte und bei verschiedenen Bergrennen und Rundkursen dabei war. Weil ich schon früh vom Rennvirus infiziert worden war, erschien mir mein eigener Einstieg mit 23 Jahren ins aktive Rennfahren und Vorbereiten der Autos als völlig selbstverständlich. So war ich von Anfang an ein alter Hase.
Hat Ihr Können als Schütze da eine Rolle gespielt?
Ja, da waren meine Erfahrungen beim Tontaubenschießen sehr wertvoll. Ich lernte etwas, das ich mein "Management" beim Schießen genannt habe, denn dieser Sport ist viel schwieriger als Fahren. Wenn du dir als Schütze einen Fehler leistet, ist die Möglichkeit für immer verloren, denn du hast das Ziel nicht getroffen und bekommst keine zweite Chance. Im Rennwagen dagegen konnte ich bei der Schikane in Goodwood einen Fehler machen, den ich in der Madgwick-Kurve oder in der St. Mary's wieder ausgleichen konnte. Ein Fehler bei einem Schießwettbewerb und man hat das Podium verloren. Aus diesem Grund habe ich auch während meiner Motorsportkarriere wenig Ausreißer unternommen: Ich weiß, was es kostet, Fehler zu machen.
Sie sind auch berühmt für Ihren sehr erfolgreichen Einsatz, den Motorsport sicherer zu machen. Was war dabei das größte Hindernis, das Sie überwinden mussten?
Es war die völlige Blindheit und Ignoranz vieler Veranstalter, die keinen Sinn im Verbessern der Rennstrecken-Sicherheit sahen. Die Organisatoren in Spa und am Nürburgring waren die starrsinnigsten. Die Naivität und Arglosigkeit waren die größten Probleme - der Mangel an Sicherheitsmaßnahmen entlang beider Strecken war frevelhaft. In Laguna Seca hatten sie die Barrieren hinter den Bäumen angebracht und verstanden nicht, weshalb ich mich beschwerte und sie entfernen lassen wollte.
Wie war die Situation in Großbritannien?
In Brands Hatch hat mir ein sehr wichtiger Mann mitgeteilt, dass die Bäume, die innerhalb der Strecke wachsen, nicht entfernt werden müssten, weil sie „nur junge Bäume seien” - so, als wäre ein Zusammenprall mit ihnen nicht auch schmerzhaft. Aber man musste auch ein gewisses Verständnis für diese Leute aufbringen, denn viele dieser Rennstrecken waren ursprünglich Sandbahnen, ehemalige Flugfelder, die noch aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg stammten. Die größte Herausforderung bestand im Konflikt zwischen Aufklärung und Kultur.
Die Startaufstellung jüngst beim Grand Prix von Melbourne war die zahlenmäßig kleinste zum Saisonauftakt seit 1958...was würden Sie ändern, um mehr Teams in die Formel Eins zu locken?
Man könnte eine zweite Gruppe einführen wie beispielsweise GP2-Fahrzeuge, aber es ist wichtig, die Integrität der Formel Eins auf ihrem höchsten Niveau nicht zu schwächen. Diese Rennserie bleibt der Goldstandard im Motorsport, bietet sie doch auch die besten Fahrer. Allerdings wollen weder Bernie Ecclestone noch Jackie Stewart nur noch 14 Autos auf dem Grid sehen.
Müsste man die Budgets der Teams begrenzen?
Es gab in diesem Sport immer Kontroversen um die Budgets der Teams, selbst 1954, als Mercedes-Benz mit diesem Transporter von Neubauer auftauchte. Sie hatten damals gerade Fangio und Moss unter Vertrag genommen - wir wären schockiert gewesen, wenn wir ihre Gehälter gekannt hätten - und damit haben die Deutschen letztlich andere führende Teams wie Ferrari und Maserati eliminiert. Vielleicht sind die Summen, die jetzt im Spiel sind, außer Kontrolle geraten, aber ich weiß aus den Erfahrungen mit meinem Rennstall Stewart Grand Prix, dass Ingenieure bei ihrem Streben nach noch höheren Geschwindigkeiten auch immer mehr Geld ausgeben wollen. Das Problem ist nicht neu. Mein Gott, die Teams haben sogar die Zahl der Tests reduziert, um Geld zu sparen. Fakt ist, dass außer mir noch 300.000 andere Zuschauer beim Großen Preis von Australien dabei waren. Damit war das ein sehr erfolgreicher Event. Die Magie ist noch da. Die kleine Zahl auf dem Grid war ein schlechter Auftakt für die Saison, aber man sollte nicht aufgrund nur eines Grand Prix' urteilen. Im Jahr 1966 hatte ich das Glück, in Monaco zu gewinnen - mit nur vier Finalisten. Das alles gehört zur Formel Eins. Noch ein Beispiel: Letztes Jahr war ich mit einem wundervollen Mercedes-Benz W165 in Goodwood unterwegs. 1938 dauerte es 18 Monate, um dieses Auto zu bauen, und das nur für ein Rennen in Tripoli. Können Sie sich vorstellen, wie die Budgets damals waren? Der Blick zurück ist zu oft verklärt.
Warum sind Klassiker und "Gentlemen Racer" derzeit so populär?
Diese speziellen Fahrzeuge der heutigen Gentlemen Racer waren zu ihrer Zeit nicht so zugänglich. Es gab keine Events und keine Serien, wo man sie hätte einsetzen können. Heute sitzen am Steuer dieser Rennwagen viele Fahrer, die zugleich auch Besitzer sind. Es gibt diese große Sehnsucht nach einer vergangenen Zeit, man stellt die Uhr zurück und fährt in diesen wundervollen alten Autos, deren Performance heute übrigens besser ist, als damals - was mich illegale Eingriffe vermuten lässt. Leider wird sich dieser Trend nicht mit den aktuellen Formel-Eins-Fahrzeugen fortsetzen lassen, anders als bei meinem 40 Jahre alten Tyrell, den man startet und losfährt. Wenn jemand Sie einladen würde, in einem GTO, ERA oder Birdcage eine Runde zu drehen, wären Sie doch gleich dabei. Der Reiz historischer Autos ist brennender, stärker und leidenschaftlicher, denn je zuvor.
Sie sind dafür bekannt, Projekte mit einer Mischung aus Stil und Korrektheit anzugehen, was sehr bewundernswert ist. Was dürfen wir 2015 von Sir Jackie erwarten?
Na ja, dass es mich noch gibt. Dass ich mich immer noch leidenschaftlich für den Motorsport interessiere und engagiere. Außerdem suche ich laufend neue Sponsoren. Ich denke, dass ich vermutlich mehr Geld für diesen Sport aufgetrieben habe, als jeder andere Fahrer. Dazu zählt auch, langfristige Beziehungen aufzubauen wie die Verbindung mit Champagner - ich habe quasi die Champagnerdusche in der Formel Eins erfunden und bin auch nach 40 Jahren noch mit Moët & Chandon verbunden!
Sie erwähnten Sir Stirling Moss. War er in den Sechzigern tatsächlich so ein Lady's Man, wie einige seiner jüngsten Aussagen vermuten lassen?
Absolut (lacht)! Obwohl er diesen Begriff nie selbst benutzt hat. Er nannte es: Hinter den Törtchen her sein.
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