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Wir werfen einen Blick zurück auf die legendärsten Turbo-Autos aller Zeiten

An diesem Wochenende stehen turboaufgeladene Sport- und Rennwagen im Mittelpunkt des Fuori Concorso am Comer See. Wir nutzen die Gelegenheit, die Geschichte des Turbosund seiner Ikonen nochmals Revue passieren zu lassen.

Die Anfänge des Turbos

Wenn man bedenkt, das amerikanische Autobauer an die alte Maxime, „Kuben sind unschlagbar“ glauben, ist es doch überraschend, dass die ersten serienmäßigen Straßenfahrzeuge, die mit Turbos bestückt wurden, Small Block-V8 waren. Ihr Vorreiter war der Oldsmobile F-85 Cutlass: Dessen serienmäßiger 3,5-Liter-Motor ließ sehr zu wünschen übrig, also bolzte Olds einen Garrett AiResearch-Lader drauf um die „Turbo-Rocket“-Maschine zu kreieren. Der Motor wurde das Herzstück eines säulenfreien Coupés, das man „Jetfire“ taufte. Es entwickelte 218 PS gegenüber den 157 PS des Originalmodells, konnte aber trotzdem nur ein Maximum von 177 Stundenkilometer erreichen. Probleme mit der Verlässlichkeit und die Notwendigkeit, den Jetfire mit einem 50-50-Mix aus destilliertem Wasser und Methanol zu füttern, um Klopfen zu vermeiden, führten schließlich dazu, dass dieser Olds nach einem Jahr eingestellt wurde. International Harvester war ein größerer Erfolg beschieden. Sie pflanzten 1965 einen Turbo auf den 152-Kubikzoll-Vierzylinder des SUV „Scout“. Nach drei Jahren endete die Produktion, als sich zeigte, dass der normale Saugmotor mit 196 Kubikzoll weit wirtschaftlicher war, obwohl auch er rund 113 PS leistete.

Die siebziger Jahre

Aber erst als die europäischen Hersteller Anfang der siebziger Jahre sich für das Turbo-Prinzip zu erwärmen begannen, kamen die Dinge richtig in Fahrt. Bekanntlich war die erste Marke Europas, die ein aufgeladenes Auto für den Markt entfesselte BMW mit einer wilden Version des großartigen kleinen Zweitürers 2002. Der kraftstrotzende 2002 Turbo hatte als Charakteristikum ein „Spiegelschrift“-Logo auf der Motorhaube, um langsamere Fahrer auf den heranstürmenden BMW aufmerksam zu machen – auch vielleicht um dafür zu sorgen, dass sie nicht im Weg waren, wenn der KK&K-Lader die Verzögerung überwand. Mit diesem zusätzlichen Atem leistete der 2002 Turbo gut 40 PS mehr und ließ die Tachonadel bei knapp 201 Stundenkilometer zittern. Aber der 2002 debütierte 1973 mitten hinein in die Ölkrise. Damit war sein Schicksal mit nur 1.672 Stück auch schon wieder besiegelt. Für das Modelljahr 1975 warf Porsche allerdings alle Bedenken bezüglich Aufladung über Bord und enthüllte mit dem 911 Turbo eine künftige Legende ausgestattet mit barock aufgeblähten Kotflügeln im IROC-Stil, einem Heckflügel im Walschwanzformat und wuchtigen 264 PS. Mit nur Viergängen und dem berühmt-berüchtigten Turboloch war dieser 911, wahnsinnig, böse und gefährlich für seine mutigen Piloten. Im Vergleich dazu, war Saabs brillanter 99 Turbo von 1978 sanftmütig in der Stadt und entfesselt außerhalb. 

Die achtziger Jahre

Die achtziger Jahre waren die Dekade, als die Welt vollends den Turbos verfiel. Als das Jahrzehnt noch blutjung war, enthüllte Aston Martin den Space Age-haften Bulldog mit dem Ziel, das erste straßenzugelassene Auto zu präsentieren, das eine Spitze von annähernd 322 Stundenkilometer erreichen sollte. Diesen Anspruch ermöglichten zwei Garrett-Turbolader, die mit einem Tadek Marek-V8 gekoppelt waren. Andere Exoten, die von dem Turbofieber der 80er profitierten, waren der Ferrari 288 GTO und sein Nachfolger F40, Porsches 959, 924, 944, der Audi Quattro und der Turbo in Luxusform von Bentley. Zunehmend war die forcierte Beatmung nicht länger im Revier reicher Käufer anzutreffen, sondern tauchte mit dem Etikett „Turbo“ auf unzähligen anderen Modellen auf. Bescheidene Fließheckautos wie der Renault 5, Fiat Uno und MG Metro verwandelten sich in Westentaschen-Raketen, während Ford die Herzen jugendlicher Racer mit seinem XR3 Turbo und natürlich mit den verschiedenen Versionen des Sierra Cosworth eroberte. Aber einer der coolsten Turbo-Ford überhaupt war der Tickford Capri 2.8i: Nur 85 Exemplare verließen Aston Martins Karosseriewerk und kosteten 18.000 Pfund – doppelt so teuer, als ein serienmäßiger 2.8i. Und vergessen wir nicht den Lotus Turbo Esprit, den 007 in dem Bond-Film „In tödlicher Mission“ arg strapazierte. 

Gruppe B Rallye-Autos der achtziger Jahre

Gestartet in 1982 und 1986 zu Grabe getragen, wird diese „goldene Ära“ des Rallyesports, den die Gruppe B was Nervenkitzel und Ölschleier betrifft verkörperte, nie wieder auferstehen. Warum? Weil es eine mehr oder weniger von allen Zwängen befreite Kategorie war, die Herstellern erlaubte, nach Wunsch alle High-Tech-Materialien einzusetzen, um das Gewicht so niedrig wie möglich zu halten – gleichzeitig konnte die Turbo-Power voll aufgedreht werden. Damit schossen die Leistungswerte durch die Decke. Daraus erwuchsen Gruppe B-Legenden wie der Audi Quattro, der in seinen Glanzzeiten über 600 PS auf die Straße gebracht haben soll, der Lancia 037 und Delta S4, Peugeot 205 T16, Ford RS200 und der Maxi Turbo von Renault. Sie hüpften, knallten, rutschten und drifteten auf den Routen der weltweit berühmtesten Rallyes. Sie spuckten Feuer und entzündeten eine Zuschauerbegeisterung, die heute kaum noch vorstellbar erscheint. Aber zu viele Unfälle in kurzer Zeit, vor allem der Tod der Lancia-Crew Henri Toivonen und Sergio Cresto in der Tour de Corse 1986 hatten zur Folge, dass die Gruppe 4 letztlich verboten wurde. 

Turbo-F1-Rennwagen in den achtziger Jahren

Die achtziger Jahre werden immer in Erinnerung bleiben, als die Dekade, in der Aufladung Formel 1-Fahrzeugen geradezu aberwitzige PS-Power bescherte. Der von Gordon Murray entwickelte Brabham BT52 von 1983 erforderte beispielsweise, dass die Fahrer Nelson Piquet und Riccardo Patrese die über 1.520 PS des BMW-Triebwerks im Qualifying Trim in Zaum halten konnten. Doch die eigentliche F1-Turbo-Ära begann in 1977, als Renault verstand, dass man ohne weiteres den in Le Mans siegreichen Gordini-V6-Turbo im Grand Prix-Rennwagen RS01 einsetzen konnte. Mit dieser kühnen Strategie wurde buchstäblich das Ladedruckregelventil geöffnet und damit dominierte Alan Jones die Saison 1980 im Williams Turbo. Das hatte zur Folge, dass sich auch Ferrari für das nächste Jahr nicht lange bitten ließ. Dann war Brabham dabei und dann Alfa mit einem außerordentlich wilden V8. Ab 1985 hat jeder Rennwagen auf dem Grid einen Turbolader an Bord. Um die Zuverlässigkeit an Renntagen zu erhöhen, wurde der Ladedruck gesenkt und damit die Leistung auf vergleichsweise niedrige circa 860 PS. Die FIA stellte schließlich 1988 die Regel auf, dass maximal ein Druck von 2,5 Bar erlaubt werden würde. Im nachfolgenden Jahr wurden die Turbos verbannt. Letztlich, weil das Undenkbare eingetreten war: Die Formel 1 war zu schnell geworden.

Die neunziger Jahre

Als klar wurde, dass ein Auto von zwei Turboladern statt von nur einem profitieren könnte, schien eine weitere Verdoppelung der nächste logische evolutionäre Schritt. Warum also kein „Quad Turbo“? Der erste Serien-Supersportwagen mit dieser Anordnung war der wundervolle Bugatti EB110, der ab 1991 vom Band lief. Sein Juwel von einem Antrieb – ein 3,5-Liter-V12 – ließ sich auf gut 608 PS durch ein Quartett von IHI-Turboladern katapultieren. Obwohl der EB110 zahlenmäßig den Turbo-Club anführte, gab es da noch ein Supercar, das noch schneller war, obwohl es mit „nur zwei“ auskommen musste. Der Jaguar XJ220 war schnell genug, um 1992 den Weltrekord für ein Serienfahrzeug aufzustellen: Mit Le Mans-Sieger Martin Brundle am Steuer wurde eine Spitze von 349,39 Stundenkilometer erzielt. Die neunziger Jahre bescherten uns aber auch ein paar aufgeladene Überraschungen von eher prosaischen Marken. Wer erinnert sich nicht an den kaum zu unterschätzenden Volvo T5R?

Die 2000er Jahre

Zur Jahrtausendwende galt der Turbo für leistungsstarke Modelle als „alternativlos“ – nicht zuletzt, weil die Emissionsregelungen immer strenger wurden und die Aufladung vor diesem Hintergrund sowohl ein Plus an Power bot wie die Möglichkeit den Motor „sauberer“ zu machen. Der Bugatti Veyron mit seinen vier Turbos dürfte das beste Beispiel sein für die sprunghafte technologische Entwicklung seit der Premiere der Lader 20 Jahre zuvor. Aber auch andere eigenwillig-exklusive Rivalen buhlten um die Gunst wie der Saleen S7 Twin Turbo oder der kurzlebige Bristol Fighter, dessen 8,0-Liter-V10-Turbomotor angeblich über 1.000 PS entwickelte. Astronomisch.

Fotos: RM Sotheby's / Gooding & Co / BH Auctions / Early 911s / Schaltkulisse / DK Engineering / The Collectables

Am 2. und 3. Oktober 2021 kehrt der Fuori Concorso mit einer Ausstellung im Zeichen des Turbos an den Comer See zurück. Schauplatz für eine erlesene Auswahl der ikonischsten Turbo-Sport- und Rennwagen sowie Konzeptstudien und Prototypen sind die Anwesen der Villa del Grumello und der Villa Sucota. Während am Samstag nur geladene Gäste und Fotografen Einlass finden, ist die Turbo-Schau am Sonntag der Öffentlichkeit zugänglich. Classic Driver präsentiert das Event samt einer speziellen Ausstellung zur Geschichte des Turbos als offizieller Medienpartner. Für weitere Informationen folgen Sie dem Fuori Concorso auf Instagram