In dieser Ladezone ist endgültig Schluss mit lustig: Das Lade-Heck im Segment der sogenannten „gehobenen Mittelklasse-Kombis“ ist bis auf den letzten Liter Stauraum heiß umkämpft. Manch Flottenmanager – und wohl auch mehr als eine Handvoll Status-bedachter Businessleute – beschäftigen sich tagaus, tagein mit den drei Platzhirschen von Audi, BMW und Mercedes. Kein anderes Segment dürfte fester in teutonischer Hand liegen, als dass der schnellen Luxus-Laster. Da wirkt eine Attacke nicht nur mutig, sondern beinahe heldenhaft.
Die Briten reiten sie. Und zwar mit reichlich Verve! Das Ergebnis: Kombifreunden mit Anspruch bietet sich ab sofort eine neue Alternative. Wem die Mercedes E-Klasse zu bieder, der BMW 5er Touring zu perfekt und der Audi A6 zu nassforsch daher kommt, der kann ab sofort Jaguar fahren. Moment, werden kundige Leser einwerfen, Jaguar und Kombi - da war doch mal was, oder? Stimmt! Das Phänomen hörte auf den Namen X-Type und basierte erkennbar auf dem Ford Mondeo. Ein eher umrühmliches Kapitel der Jaguar-Annalen, obschon die Fahrzeuge der letzten Generation gar nicht mal schlecht waren. Doch geschenkt; das Image war leider schon kurz nach Markteinführung verspielt. Jetzt aber kommt alles anders, alles neu. Und vor allem soll es diesmal richtig laufen. „Sehr hoch“ sind denn auch die hausinternen Erwartungen an den neuen XF Sportbrake. „Das Auto hat das Zeug zum neuen Volumenmodell bei Jaguar“, ist sich Axel Ecke, Markendirektor Jaguar Deutschland, sicher. Die Markteinführung im Norden Großbritanniens passt denn auch. Hier oben im schottischen Grenzland muss sich der Sportbrake erste Sporen verdienen. Wir starten in Edinburgh. Flott geht es Richtung Süden. Die leider etwas antiquiert wirkende Bord-Navigation lotst uns dennoch treffsicher direkt zum Floors Castle bei Kelso.
Hier angekommen schauen wir auf die Fakten: Der Sportkombi übernimmt den Radstand und die Abmessungen der Limousine, kann aber nach Umklappen der hinteren Sitzbank sein Ladevolumen auf bis zu 1.675 Liter erweitern. Das ist mehr als ordentlich. Nur der Mercedes schluckt da deutlich mehr, was man der pummeligen Form des Schwaben-Lasters allerdings auch ansieht. Der Jaguar verpackt seinen Stauraum äußerst galant – optisch ist der Brite tatsächlich mehr elegant edler Shooting-Brake als Großraum-Transporter. Dennoch stehen zunächst nur Diesel-Motoren zur Auswahl; die reichen laut Hersteller für die Marktabdeckung. Den Sportbrake von Jaguar gibt es mit zwei 3,0 Liter großen V6-Motoren und einem 2,2 Liter Turbodiesel mit vier Zylindern. Letzterer leistet 200 PS und dürfte sich der größten Nachfrage erfreuen. Zurecht: Der Motor bietet ansehnliche Leistung bei moderatem Spritkonsum. Mit einem Durchschnittsverbrauch von 5,1 Liter auf 100 Kilometer avanciert der kompakte Selbstzünder zum sparsamsten Modell der Firmengeschichte. Ein Schnäppchen ist der Wagen deswegen nicht. Ab 48.550 Euro gelingt der Einstand. Stattlich, denn das ist mehr als ein BMW 520d kostet, wobei sich dies ausstattungsbereinigt aber relativieren soll.
Für denjenigen, der sich nun hinsetzt und alles ganz genau auf die zweite Nachkommastelle nachrechnet und danach mit der Fadenlupe vergleicht, für den ist der Jaguar ohnehin nicht gedacht. Er ist eher eine frische Antwort für spontane Typen, die mehr Lifestyle als „Numbercrunching“ im Sinn haben. Hier ist der Jag eine gute Wahl. Der Look des Sportbrake ist unleugbar stark: an der Front sowieso, von der Seite nicht minder. Dem Heck fehlt in der frontalen Draufsicht vielleicht ein wenig der markante Charakter, doch in der Silhouette gefällt der runde Abgang gegenüber manch Stufenlösung des Wettbewerbs. Und hinter der Klappe passt ordentlich was hinein. 25 Tullibardine Single Malt Whiskykisten mit je sechs Flaschen Inhalt konnte ich im Courtyard des Archerfield House in Schottland ruck zuck verstauen. Heimlich geübt habe ich dafür nicht. „Das sind ja auch nur 105 Liter“, werden vom ewigen Controllingimpetus gegeißelte Zeitgenossen jetzt prompt ausrechnen. Korrekt - aber stapeln Sie das Arrangement mal binnen drei Minuten in einen anderen PKW. Und von der Halbwertszeit dieses beachtlichen Highland-Whisky Vorrats will ich gar nicht erst reden. Lieber hiervon: die hinteren Sitze sind mittels seitlicher Zughebel blitzschnell umgelegt. Schlagartig entsteht eine ebene Ladefläche, die 1.970 Millimeter in der Länge und 1.064 Millimeter in der Breite misst. Mit anderen Worten: Da passt sogar noch mehr hinein. In Schottland gibt es rund 100 offizielle Whisky-Distillen.
Vollkommen nüchtern geht es zum Fahreindruck. Hier überzeugt der Vierzylinder bereits durch ordentlich Drehfreude. 450 Newtonmeter Drehmoment liefert der Motor. In 8,8 Sekunden geht der Einstiegs-Sportbrake aus dem Stand auf 100 km/h, fährt 214 km/h Spitze. Ein wenig stört im Leerlauf noch das Vierzylinder-Dieselbrabbeln, aber ansonsten gibt es nichts zu Meckern. Die Achtstufen-Automatik arbeitet tadellos. Das Fahrwerk ist nicht zu hart abgestimmt. Die Lenkung folgt präzise den Anweisungen. Gut gemacht! Besser noch in punkto Performance und Laufkultur sind die Sechszylinder. Wir schnüren mit dem 275 PS starken 3,0-Liter-Diesel-V6 S-Modell durch die Borders. Erst über einsame Hügelketten, dann über - man staune - eine abgesperrte schottische Rennstrecke. Mittels kleiner Knöpfchen und Tasten entlockt man dem Top-Modell einen Sportwagen: in nur 6,6 Sekunden gelingt der Spurt. Bei 250 km/h soll der Begrenzer den Sportbrake einbremsen. Wichtiger noch ist das tolle Feedback des Fahrzeugs und die harmonische Auslegung von Antriebsstrang, Assistenzsystemen und Fahrwerk. Selbst der Sound stimmt. Sportliche Fahrer müssen hier vor Suchtpotenzial gewarnt werden. Respekt für diese Abstimmung. Das gilt auch für den Durchschnittsverbrauch, der laut Jaguar bei moderaten 6,0 Liter Diesel auf 100 km liegen soll. Diese Preise für den S-Kombi starten bei 56.550 Euro - Liebhaber werden das Aufgeld gerne zahlen.
Ab Werk gibt es bei allen XF Sportbrake-Modellen eine selbst nivellierende Luftfederung an der Hinterachse. Damit steht der Wagen selbst bei voller Beladung nach jedem noch so üppigen Einkauf gerade da. Und auch die Fahrdynamik bleibt mit dieser Achse weitgehend erhalten. Wer eine Anhängekupplung ordert, erhält eine Spurstabilisierung dazu, was das Aufschaukeln des Gespanns unterbindet. Die Achtstufen-Automatik ist bei allen drei Modellen an Bord, genauso wie die Start-Stopp Automatik. Gelungen ist auch das System aus Laderaumschienen, welches optionale Netze und Halteleisten aufnimmt. Die Heckklappe zieht erwartungsgemäß automatisch zu. Wer nun noch die elektrische Öffnungs- und Schließfunktion ordert, hat nicht nur einen sportlichen, sondern auch einen sehr praktikablen und effizienten Wagen im Stall. Und einen Schönen dazu. Denn auch ohne den Tullibardine-Dimpler in der Hand kann man sich lange an der gestreckten Seitenfenster-Graphik, der aufsteigenden Schulterlinie und an der Dachreling aus Aluminium erfreuen. Den Zahlenmenschen sei abschließend noch verraten: in der zweiten Sitzreihe gibt es 48 Millimeter mehr Kopffreiheit als in der Limousine. Wie schon gesagt: es passt einiges hinein. Und für eine anständige „Load-Story“ muss es nicht immer schottischer Whisky sein. Kann aber.
Fotos: Mark Fagelson