Wenn man freiwillig in einem Auto im Fonds Platz nimmt, dann muss das einen guten Grund haben. Zumeist erklärt der Buchstabe "L" in der Typbezeichnung des Fahrzeugs die Platzwahl. L steht für "langer Radstand" und LWB namentlich für "Long Wheelbase", was nichts anderes meint als die technische Determination für einen Chauffeurs-Wagen. Denn das Längenwachstum bietet jenen mehr Raum, die es ansonsten gewohnt sind, vorne zu sitzen. Das ist nicht zu unterschätzen: Geht es um Vorstandswagen, dann entscheidet dieser kleine typografische Zusatz nicht selten über die Anschaffung überhaupt.
Was sind schon 20 Zentimeter? Drei Kreditkarten nebeneinander
Nach der diesjährigen L.A. Motorshow müssen Chauffeure und Fuhrparkmanager ihr Spektrum erweitern. Denn den Range Rover, britischer Stammhalter aller Luxus-Geländewagen, gibt es jetzt ebenfalls als LWB-Modell. 20 Zentimeter mehr Raumgewinn, der hier sogar ausschließlich im Fonds seine äußerst angenehme Wirkung entfaltet. Doch was sind schon 20 Zentimeter? Drei Kreditkarten nebeneinander gelegt? Stopp! Wer rein metrisch denkt, irrt: 20 Zentimeter sind relativ betrachtet viel. Es ist wie der Wechsel im Langstreckenflieger von der Eco- in die First Class. Ich nehme hinten im langen Range Rover Platz und gewinne für einen Augenblick den Eindruck, in einem Fahrzeug zu sitzen, bei dem der Vordersitz gleich ganz entfernt wurde.
Zwischen Spa und Gentlemen's Club
Der Raumgewinn ist verblüffend und sorgt für unmittelbare und ungewohnte Bewegungs- und Beinfreiheit. Ganz nebenbei bemerkt: Man sitzt im LWB vorne genauso komfortabel wie im normalen Range Rover. Hinten aber offenbart sich beim Langgefährt eine Mischung aus Ruhe stiftendem Spa und behaglichem Gentlemen's Club. Insbesondere, wenn man die vielfach verstellbaren Einzelsitze wählt. 17 Grad Spreizung und damit acht Grad mehr als der "kurze" Range gewähren nicht nur nach hartem Arbeitstag eine gemütliche Schlummer-Position. Wer seine Arbeit indes nicht geschafft hat, findet optional mit elektrisch ausfahrbaren, lederbezogenen Ablagetischen, einer aufgewerteten Mittelkonsole mit USB-Ladebuchsen und weitere Beleuchtungseinheiten ein mobiles Vorstandsbüro vor.
Sänftengleich über den Rodeo Drive
Der Fahreindruck in einem Wort: sänftengleich. Sowohl auf den ziemlich baufälligen Highways der amerikanischen Westküste, wie auch den innerstädtischen Schlechtwegestrecken von L.A. und natürlich erst recht auf Beverly Hills erster Einkaufstraße, dem topfebenem Rodeo Drive. Dank längerem Radstand scheint der Longliner noch eine Spur ruhiger zu laufen als sein kürzerer Bruder. Luftfederbeine übernehmen längst das, was erfahrenste Sänftenträger nicht besser leisten könnten. Gegenüber einer L-Limousine punktet der lange Range zudem mit Ausblick. Der dank Panorama-Glasdach auch himmelwärts möglich ist. Doch Obacht: Wer in dieser Position zu lange weilt, den wiegt das fahrende Clubzimmer gekonnt in den Schlaf. Übrigens debütierte ein Range Rover mit langem Radstand bereits im Jahre 1992 auf dem Pariser Autosalon. Damals noch etwas opulent als Range Rover Vogue LSEi bezeichnet. Das Längenwachstum war bereits das gleiche wie heute: 20 Zentimeter gegenüber dem kurzen Seirenmodell.
Destination: Bentley und Rolls-Royce
Aufwachen zur abschließenden "Geschmackskontrolle" von außen nebst notwendigen Kostencheck. Trotz Karosserie-Gesamtlänge von 5,20 Meter leiden die Proportionen des Fahrzeugs nicht. Man muss tatsächlich zweimal hinsehen, um das diskrete Längenwachstum von außen zu identifizieren. Ein willkommenes Understatement, denn die Preise des Luxusliners starten bei strammen 130.000 Euro. Dafür gibt es den 339 PS starken SDV8-Turbodiesel. Bestellbar ab sofort, Auslieferung ab Frühjahr 2014. Komplettiert wird die Palette mit dem 5,0-Liter-V8 Supercharged Kompressor-Motor mit 510 PS, der ab zirka 137.000 Euro zu haben ist. Und dem Range Rover 3.0 L SDV6 Hybrid, der mindestens 135.000 Euro kostet und über eine Kombination aus V6-Turbodiesel und Elektromotor mit einer Systemleistung von 340 PS verfügt. Wer sich jedoch in individuellen Autobiography-Spezifikationen verliert, sollte den Begriff "Einstiegspreis" wörtlich nehmen. Das gilt vor allen Dingen für das besonders exquisite "Autobiography-Black" Modell, das mit Preisen um 170.000 Euro aus der Tiefe des Raumes kommend endlich zum britischen Automobil-Hochadel derer von Bentley und Rolls-Royce aufzuschließen gedenkt. Was das knappe Wortkürzel "LWB" doch für Ambitionen weckt.
Fotos: David Shepherd