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Diese Autos erzählten die spannendsten Geschichten beim diesjährigen Concorso d'Eleganza Villa d'Este

Die Autoklassiker des Concorso d'Eleganza Villa d'Este können zwar nicht direkt mit uns sprechen – und doch haben sie einige sehr aufregende Geschichten zum Besten gegeben. Wir hörten ihnen aufmerksam zu.

Wenn es einen Ort gibt, an dem die viel gepriesene italienische Grandezza noch lebendig ist, dann ist es das Grand Hotel Villa d'Este am Ufer des Comer Sees. In diesem Jahr feiert die herrschaftliche Villa ihr 150-jähriges Bestehen als Traum-Destination für die internationale Hautevolee. Wenn man diese exquisite Zeitkapsel betritt, könnte man glauben, die Kellner in ihren weißen Livreen würden den illustren Tim und Struppi-Figuren auf der Terrasse bis ans Ende der Zeit Clubsandwiches und Aperol Spritz servieren, während die ewigen hölzernen Rivas verträumt auf den Wellen schaukeln. 

Einen großen Teil seines Ruhmes verdankt das Grand Hotels sicherlich dem Concorso d'Eleganza Villa d'Este, diesem zeitlosen automobilen Schönheitswettbewerb, der seit 1929 auf dem Anwesen stattfindet. Doch die Organisatoren des Hotels und der BMW Group haben der Notwendigkeit nachgegeben, auch das erfolgreichste Format von Zeit zu Zeit zu modernisieren, und für dieses Jahr das Event ein wenig verändert. Nachdem der Concorso d'Eleganza mit einem Prolog von Mailand nach Cernobbio begonnen hatte – ein weiterer Schritt in Richtung einer verlängerten Como Car Week – stand die Hauptveranstaltung des Concours in der Villa d'Este das ganze Wochenende über nur Teilnehmern, geladenen Gästen und Ticketbesitzern offen. In der Villa Erba, wo die Concours-Autos in der Vergangenheit sonntags ausgestellt wurden, waren Automobilclubs aus ganz Europa zu Gast. 

Auch mit dem geänderten Zeitplan gehört der Concorso d'Eleganza Villa d'Este mit seiner Mischung aus außergewöhnlichen Autoklassikern nach wie vor zur absoluten Spitze aller Automobilveranstaltungen. Während wir schon voll damit zufrieden waren, die atemberaubenden und in der Sonne glitzernden Karosserien zu bewundern, hatten die meisten Autos auch einige verführerische Geschichten zu erzählen. Um die Ära zu dokumentieren, in der Automobile zum ersten Mal zu Objekten der Begierde wurden, hatte das Auswahlkomitee eine breite Auswahl an Karosserieskulpturen aus den 1920er und 1930er Jahren zusammengestellt, die im Stil zwischen Art-Déco-Flamboyanz und vom Bauhaus inspirierter Moderne schwankten.

Während der von Gangloff entworfene Bugatti Typ 57C Stelvio Jugendstil auf Rädern repräsentierte, war es der atemberaubend elegante, aber eher puristische Bugatti 57S von 1937 von Andrew Pisker aus Monaco, der neben dem Preis „Best of Show“ auch noch die begehrte Trofeo BMW Group sowie die einmalige Siegeruhr von A. Lange & Söhne mit nach Hause nahm. Das von Vanvooren in Paris gebaute schwarz-graue Cabriolet verblüffte Jury und Zuschauer gleichermaßen durch seine perfekten Proportionen, seine messerscharfen Linien und den Verzicht auf jeglichen Zierrat. Erstaunlicherweise tauchte der Originalmotor des Bugatti bei einer Internetrecherche wieder auf, nachdem er vier Jahrzehnte lang als verschollen galt.

Derweil wurde der herrlich patinierte Bugatti Type 59 aus der Pearl Collection, der einst König Leopold III. von Belgien gehörte und über den Classic Driver kürzlich ausführlich berichtete, mit der FIVA-Trophäe für das am besten erhaltene Vorkriegsfahrzeug ausgezeichnet – ein wohlverdienter Sieg.

In diesem Jahr hatte das Komitee des Concorso d'Eleganza den stattlichen Mercedes-Benz Kompressorwagen eine ganze Klasse gewidmet. Nach der Fusion von Mercedes und Benz entstanden, verblüfften die „Elefanten“ die Welt mit ihren aufgeladenen Motoren und avancierten schnell zum Auto der Wahl für die Schnellen und Glamourösen. Mit seiner brombeerfarbenen Lackierung und dem Glasdach sah das Mercedes-Benz 630 K Coupe de Ville Saoutchik von 1928 aus, als hätte ihn eine Nicki Minaj aus der Great-Gatsby-Ära ausgestattet. Dagegen wurde der Mercedes-Benz 710 SS mit beeindruckenden Rennsportkarosserie von jungen Aristokraten mit illustren Namen wie Max von Arco-Zinneberg, Hermann Prinz zu Leiningen oder Rittmeister von Mosch gefahren. 

Ein anderer der gewaltigen Wagen gelangte als Kriegstrophäe nach Moskau und wurde dort von einem KGB-General gefahren. Doch die bemerkenswerteste Geschichte hatte das Mercedes-Benz 540 K Cabriolet A von 1936 zu erzählen: Das umwerfend elegante blau-weiße zweifarbige Cabriolet gehörte einst Mademoiselle Lucy Franchi, Besitzerin der berühmten Pariser Bar Americaine La Roulotte in Montmartre. Am Steuer ihres Kompressor-Mercedes chauffierte sie die Jazz-Stars Edith Piaf, Duke Ellington, Louis Armstrong und Django Reinhardt durch Paris.

Nachdem der von Touring entworfene Alfa Romeo 6C 2500 beim Wettbewerb von 1949 die Trophäe „Best of Show“ gewonnen hatte, erhielt er zur Feier des Erfolgs den Beinamen „Villa d'Este“ und wurde in einer limitierten Auflage von 36 Exemplaren gebaut. Eines davon wurde 1951 an einen 25-jährigen Besitzer aus Neapel ausgeliefert und viele Jahre lang in der Galleria Borbonica, dem im 19. Jahrhundert in 23 Metern Tiefe im Auftrag des Bourbonen-Königs Ferdinand III. angelegten Tunnelsystem, versteckt. Ehe es nach vielen Jahren dort wiederentdeckt und sorgfältig restauriert wurde. Der daneben ausgestellte Bristol 404 von 1953 diente als Testfahrzeug für verschiedene Motoren und Technologien. Seine markante Heckflosse wurde von Bristols damals größtem Flugzeug, der 1949 nur einmal als Prototyp gebauten achtmotorigen Bristol Brabazon, inspiriert. 

Unter diesen Exoten wirkte der silberne Mercedes-Benz 300 SL eher unscheinbar – bis wir erfuhren, dass er einst Sophia Loren gehörte und von ihr auch gefahren wurde. Erwähnenswert ist auch das Chrysler Boano Coupé Speciale, das von Mario Boano für Fiat-Chef Gianni Agnelli entworfen und dann an seinen Bruder Umberto weitergegeben wurde. Weil der inoffizielle König Italiens nicht in einem Auto eines anderen Herstellers gesehen werden wollte.

Ferrari feiert in diesem Jahr bekanntlich sein 75-jähriges Bestehen, und natürlich versammelten sich einige der schönsten Exemplare aus Maranello beim Concorso d'Eleganza Villa d'Este zu einer hochkarätigen Geburtstagsparty. Der Ferrari 250 GT Zagato von 1956 mit seiner eleganten zweifarbigen Lackierung und „Double-bubble“-Dach ist wohl eines der schönsten Autos, die je gebaut wurden. Während sein Zeitgenosse, der Ferrari 335 S von 1958, das Rennsport-Erbe der Kultmarke repräsentiert. Als eines von nur vier von Scaglietti gebauten Exemplaren und ausgestattet mit einem Vittorio Jano-V12, ist er der reinrassige Rennsportwagen unserer Träume.

Dass alte Ferrari auch sehr praktische Familienfahrzeuge sein können, bewies der Besitzer des Ferrari 365 P Berlinetta Speciale Tre Posti von 1966. Der von Aldo Brovarone für Pininfarina konstruierte Versuchswagen mit dem V12 des Ferrari 365 P2-Rennwagens debütierte 1966 auf dem Pariser Salon und war der erste straßentaugliche Mittelmotor-Ferrari. Dank der Dreisitzer-Konfiguration konnte der Besitzer während der Parade am Nachmittag seine Frau und seinen Sohn mitnehmen. Wenn wir uns jedoch einen der Ferrari hätten aussuchen können, um mit ihm über die Alpen zurück nach Hause zu fahren, wäre es wahrscheinlich der wunderschöne 1967er Ferrari 275 GTB/4 in Verde Scuro mit orangefarbenem Connolly-Leder gewesen.

„Win on Sunday, sell on Monday“ - so lautete das Motto für die rennstreckenerprobten Sportwagen („Born for the racetrack“) beim diesjährigen Concorso d'Eleganza. Ein Highlight auch für uns, haben wir doch ein Faible für diese fragilen und leichten Rennwagen aus den 1950er- und 1960er-Jahren. Der Maserati A6 GCS MM Werkswagen von 1954 kam beim Großen Preis von Dakar im Senegal und bei der Mille Miglia zum Einsatz - der jetzige Besitzer berichtet, dass er für den Kauf mit einem Notar in ein sizilianisches Gefängnis reisen musste. Zwei unserer Lieblingsrennwagen vom Prolog, der seinerzeit in Schweden von Carl-Gunnar Hammarlund erfolgreich eingesetzte Porsche 356 B Carrera Abarth GTL von 1961 und der von schnellen Frauen wie Nadeene Brengle und Phyllis Gaylard in Südkalifornien gesteuerte Alfa Romeo TZ1 von 1964 verdeutlichten die globale Anziehungskraft minimalistischer Rennmaschinen aus der Mitte des 20. Jahrhunderts.

Während der Parade ließen drei außergewöhnliche zeitgenössische Rennwagen die elegante Zuschauermenge mit ihren dröhnenden Motoren aufschrecken: einer von nur 19 gebauten Ferrari F40 LM, ein heute mit einer Straßenzulassung ausgestatteter Nissan R390 GT1 aus dem Besitz des Ex-Rennfahrers Eric Comas und ein höchst begehrenswerter Maserati MC12 Baujahr 2004 aus der ersten Serie. Aufregend war auch die Wettbewerbsklasse, die jene Sportwagen feierte, die einst als erste die magische 300-km/h-Marke durchbrochen hatten. So staunten wir über einen Citroën SM Land Speed Record Rennwagen, den begehrenswerten dunkelblauen Lamborghini Miura SV aus dem Vorbesitz des Schahs von Persien und einen völlig neuwertigen Porsche 959 S mit gerade einmal 885 Kilometern auf dem Tacho!

Doch damit nicht genug des Trubels: Anlässlich des 50-jährigen Bestehens von BMW M hatten die Teilnehmer einige richtig wilde bayerische Maschinen an den Comer See gebracht. Der BMW M1 ist der Urahn aller M-Fahrzeuge - und der weiß-rot-blaue Werksrenner, der in der Procar Serie von Clay Regazzoni und Carlos Reutemann gefahren wurde, ist das sicher eindrucksvollste Abbild des bis heute berühmtesten Kraftpakets aus München. 

Unsere Freunde von Rennmeister und 72StagPower hatten den Jägermeister Racing BMW 320 Gruppe 5 mitgebracht, den wir bereits am Vorabend der Show auf einer After-Dark-Tour durch die Villa d’Este besser kennengelernt hatten. Mit seiner enormen Breite, einem Gewicht von nur 760 Kilogramm und einem 310 PS starken Zweiliter-Vierzylinder-Formel-2-Motor, der bis zu 10.000/min dreht, hat der orangene 320er 33 Siege in 59 Rennen erzielt. Es war ein beeindruckender Anblick, als Ecki Schimpf, Lordsiegel-Bewahrer und Chef des Jägermeister Racing Teams, den Boliden über die Terrasse fuhr.

Das außergewöhnlichste Auto auf dem diesjährigen Concorso d'Eleganza Villa d'Este war jedoch der 1979 gebaute Aston Martin Bulldog. Das erste Hypercar der Welt kam mit der Mission, als Erster straßenzugelassener Sportwagen eine Höchstgeschwindigkeit von 200 Meilen pro Stunde, rund 320 km/h zu erreichen. Schaffte damals aber „nur“ 192 mph. Danach lag der vom Designer William Towers entworfene Bolide 35 Jahre lang im Dornröschenschlaf, ehe er in England komplett restauriert wurde und nun bereit für einen neuen Angriff auf die 200-mph-Mauer ist. Über vier Jahrzehnte, nachdem die Bulldogge die Welt zum ersten Mal in Erstaunen versetzte, hat sie nun die über eine öffentliche Abstimmung vergebene Coppa d'Oro Villa d'Este gewonnen. Nachdem wir den Restaurierungsprozess von Anfang an verfolgt haben, können wir den Besuchern des Concorso d'Eleganza nur zustimmen, dass dieser Sieg für den Besitzer Phillip Sarofim und Projektleiter Richard Gauntlett mehr als verdient ist. Lang lebe der Keil!

Zu guter Letzt gab es noch aktuelle Konzeptfahrzeuge  zu bewundern: Zagato enthüllte einen neuen offenen Mostro auf Maserati-Basis, Marc Philip Gemballa präsentierte den beeindruckenden Marsien und Touring zeigte eine Version des Arese RH95 in ikonischen Gulf-Farben. Die surreale Konzeptstudie Bugatti Bolide, von der stets stilvollen Rita Spiess über die Terrasse des Grand Hotels gefahren, gewann den Designpreis in einer Publikumsabstimmung und brachte Bugatti damit die dritte große Trophäe eines denkwürdigen Wochenendes ein.

Photos: Remi Dargegen for Classic Driver