Ein Alfa Spider muss rot sein? Ma no! Das eleganteste italienische Cabrio der Nullerjahre verlangt nach einem zurückhaltenden, klassischen Farbton – oder der richtigen Graustufe. Die Stilgötter Norditaliens, die man tagtäglich auf den Straßen von Turin und Mailand in ihren gemalt wirkenden Loro-Piana-Anzügen bewundern kann, mit ihren silbernen Locken und sandfarbenen Hornbrillen, sie würden sich wahrscheinlich für Grigio Magnesio entscheiden. Ein Grau, so granitfarben wie der Himmel über der Po-Ebene im Februar. Im Innenraum dürfte es dagegen schwelgerischer zugehen – Ledersitze und Bezüge im warmen Ocker-Ton „Terra di Siena“ etwa, benannt nach dem rot-braunen Pigment aus der Erde von Siena, das schon in der steinzeitlichen Höhlenmalerei Verwendung fand. Als Gegenpol zum technisch-sportlichen Carbon-Look von Armaturen, Mitteltunnel und Türverkleidungen noch ein paar Flechtleder-Applikationen im Stil von Bottega Veneta – und fertig wäre der Traum aller Alfisti mit Hang zum Understatement. Der vielleicht unauffälligste, sicherlich aber distinguierteste Supersportwagen jenseits der Alpen.
Der Alfa 8C Spider wurde 2008 als offene Variante des Alfa 8C Competizione auf dem Genfer Salon enhüllt – und war dank strenger Limitierung auf nur 500 Exemplare bereits kurze Zeit später ausverkauft. Trotz eines Grundpreises von mehr als 210.000 Euro. Die technische Basis des kompakten Roadsters stammte von Maserati aus Modena, der Motor war bei Ferrari in Maranello geschärft worden, die Formensprache stammte vom jetzigen Audi-Konzerndesignchef Wolfgang Egger, der bis 2007 das Centro Stile von Alfa Romeo leitete. Vor allem die barocke, an den legendären TZ-Modellen der 1960er Jahre angelehnte Linien- und Kurvenführung des Alfa 8C Spider sorgte für Begeisterung – denn einen offenen Sportwagen nach derart klassischem Ideal suchte man in Italien vergebens: Die Konzernschwerster Maserati hatte gerade erst den neuen GranTurismo präsentiert, das passende GranCabrio sollte noch ein gutes Jahr auf sich warten lassen – und dann auch deutlich komfortbetonter ausfallen. Die offenen Modelle von Ferrari und Lamborghini dagegen waren stilistisch derart auf Radau gebürstet, dass ein zurückhaltender Auftritt damit so gut wie unmöglich war.
Der Spider sollte das Image der einst so großen Marke Alfa Romeo, die in den letzten Jahrzehnten durch gesichtslose Massemodelle immer mehr an Kontur verloren hatte, neu definieren. Dabei war nicht nur ein faszinierendes Design gefragt, sondern auch technische Überzeugungskunst – schließlich war Alfa einst für rassige Sportwagen bekannt. Mit seinem fünf Liter großen V8-Frontmotor brachte er eine Leistung von 450 PS auf die Straße, die Beschleunigung von 0 auf 100 km/h dauerte gerade einmal 4,5 Sekunden und die Höchstgeschwindigkeit lag bei 292 km/h. Auf einmal stand die Mailänder Mittelklassemarke wieder auf Augenhöhe mit Maserati und Ferrari. Auch im Innenraum hatten die Ingenieure gezeigt, was bei entsprechendem Budget alles möglich ist: Statt Plastik kam reichlich teures Karbongeflecht zum Einsatz und was wie Aluminium aussah, war auch Aluminium – und wie etwa die Mittelkonsole aus einem einzigen Block gefräst. Einzig das umständlich zu bedienende Stoffverdeck erinnerte an die programmatische Unvollkommenheit, denen italienische Sportwagen einen guten Teil ihres Charakters verdanken.
Interessanterweise wirkt der Alfa 8C Spider mit seinen sinnlichen Karosseriekurven, den wogenden Hüften und dem runden Heck zunächst äußerst feminin – nach den ersten Metern hinterm Steuer ist dieser Eindruck jedoch verflogen. Auf Kommando faucht und brüllt der Achtzylinder mit einer rauen Wildheit, bei der selbst ein Ferrari California nicht mithalten kann. Der Vortrieb ist ebenfalls beeindruckend. Auf den engen Kurven unserer Testroute zahlen sich zudem die kompakten Abmessungen aus: Der Alfa ist knapp 30 Zentimeter kürzer als der Ferrari California und gut 60 Zentimeter kürzer als der Maserati GranTurismo – entsprechend liegen zwischen den Konzern-Cabriolets fahrdynamische Welten. Mit der rennsportlichen Agilität und Präzision eines Go-Karts lässt sich der offene Alfa durch die Kurven treiben, während man der Sechsgang-Automatik per Lenkrad-Paddel die richtigen Gänge diktiert und der eiskalte Fahrtwind gegen den hochgezogenen Kragen bläst. Soviel puristische Sportlichkeit vermisst man derzeit nicht nur in Italien, sondern auf dem gesamten europäischen Automobil-Parkett. Warum sich Alfa mit diesem Konzept nur im elitären Luxus-Segment, nicht aber in der Boxster-Liga versucht, bleibt deshalb umso fraglicher.
Unser magnesiumgrauer Alfa 8C Spider hat übrigens erst knapp 1.200 Kilometer gelaufen und steht derzeit bei der Garage Foitek AG in Zürich zum Verkauf. Weitere Informationen finden Sie im Classic Driver Automarkt.
Text & Fotos: Jan Baedeker